Der Netzanschlussbeitrag und der Netzkostenbeitrag – was müssen die Produzenten bezahlen?

Lucia Grüter, Walter Sachs

31. Jan 2024 

Management Summary

Der Bau großer Photovoltaikanlagen benötigt oftmals eine Verstärkung des bestehenden Netzanschlusses, was mit hohen Kosten verbunden sein kann. Netzanschlusskosten bestehen grundsätzlich aus zwei Komponenten, dem Netzanschlussbeitrag und dem Netzkostenbeitrag. Dabei ist es für die Produzenten wichtig zu verstehen, dass der Netzkostenbeitrag nur für bezugsberechtige Leistung verrechnet werden darf und nicht für einspeisende Leistung. 

Mit dem Mantelerlass sollen ab 2025 die Kosten für erzeugungsbedingte Leitungsverstärkungen von der nationalen Netzgesellschaft übernommen werden.


Der Bau von Photovoltaikanlagen erfordert öfters einen Ausbau des Netzanschlusses, weil das bestehende Gebäude aufgrund des eigenen Stromverbrauchs eine  ungenügende Netzanschlusskapazität aufweist. Dies ist typischerweise der Fall bei Lagerhallen und landwirtschaftlichen Gebäuden. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, das technische Anschlussgesuch (TAG) nicht erst kurz vor dem Bau, sondern bereits in der Phase des Vorprojektes beim Netzbetreiber einzureichen. Eine frühzeitige Anfrage beim Netzbetreiber empfiehlt sich auch aufgrund der langen Wartefristen von mehreren Monaten. Das Resultat des TAG beinhaltet die Lösung des Anschlusses sowie dessen Kosten, die bei einer allfällig benötigten Verstärkung rasch im fünfstelligen Bereich liegen können. Dazu ein Beispiel:

Ein Solarstromproduzent hat vor einigen Monaten ein technisches Anschlussgesuch für eine PV-Anlage mit 180 kW AC-Leistung beim lokalen Netzbetreiber, einer Gemeinde, eingereicht. Da der bestehende Hausanschluss nur eine 40 A Sicherung hatte, war eine Verstärkung mit neuen Kabeln (Länge ca. 170 m) und der Sicherung auf 260 A notwendig. Die Kosten für diese Verstärkung bis zum Verknüpfungspunkt1 waren vom VNB mit 45’000 CHF veranschlagt, wovon 27’000 CHF für den Netzkostenbeitrag anfallen sollten. Diese veranschlagten Kosten  erschienen dem Investor zu hoch und er erkundigte sich beim VSE, ob die Offerte des VNB gerechtfertigt sei. Dabei stellte sich heraus, dass veranschlagte Kosten für Anschlussgesuche kritisch hinterfragt werden sollten.

Grundsätzlich werden bei den Kosten für einen Netzanschlusses zwei Beitragskomponenten unterschieden (1):

  • Netzanschlussbeitrag (NAB): entspricht den Kosten für die Erstellung der Netzanschlussleitung sowie allfälligen Transformationskosten
  • Netzkostenbeitrag (NKB): entspricht der Leistungsbeanspruchung des Verteilnetzes, ungeachtet allfälliger Netzausbauten für den Netzanschluss

Die Höhe dieser Beiträge entspricht der vereinbarten Anschlussleistung, dem Querschnitt des Netzanschlusskabels sowie der Transformatorenleistung. Der Netzanschlussbeitrag deckt dabei die Aufwendungen für die Erstellung des Netzanschlusses vom Verknüpfungspunkt bis zum Hausanschlusskasten (1). Diese Kosten müssen vom Netzanschlussnehmer getragen werden, unabhängig davon, ob Leistung bezogen oder eingespeist wird. Der NAB wird daher auch für Photovoltaikanlagen fällig, falls diese einen Ausbau des Netzanschlusses erfordern. 

Beim Netzkostenbeitrag verhält es sich anders. Dieser ist ein Beitrag für die direkt und indirekt verursachten Netzdimensionierungs- und Ausbaukosten und entspricht der vereinbarten bezugsberechtigten Leistung (1). Der VSE gibt vor, wie dieser Betrag für jede einzelne Netzebene genau zusammengestellt und berechnet werden kann. Entscheidend für die Photovoltaik ist der VSE-Grundsatz, der besagt, dass für Erzeugungseinheiten, also z.B. für Einspeiseleistung von Photovoltaik, kein Netzkostenbeitrag erhoben werden darf. Dies wegen des geltenden Ausspeiseprinzips, welches in  Art. 14, Absatz 2 des Stromversorgungsgesetz StromVG (2) geregelt ist. Daraus ergibt sich, dass das Netznutzungsentgelt von den Endverbrauchern je Ausspeisepunkt zu entrichten ist.


Exkurs Ausspeiseprinzip: Die Ausspeisung ist aus der Sicht des Netzbetreibers zu verstehen, nicht aus der Sicht des Produzenten/Konsumenten. Das Prinzip besagt, dass das gesamte Stromnetz nur von den Konsumenten (d.h. “Strombezügern”) finanziert wird, das heisst die Netzgebühren werden basierend auf der Ausspeiseenergie resp. Ausspeiseleistung vom Netz zum Endverbraucher verrechnet. Für Energie oder Leistung eines Produzenten, die ins Netz eingespeist wird, dürfen keine Beiträge für die Finanzierung des  Netzes erhoben werden. Die zu- oder abführende Netzleitung, also das Stück Leitung vom Verknüpfungspunkt bis zum Hausanschlusspunkt, muss aber immer vom Endverbraucher oder Produzenten bezahlt werden. Dafür wird der  Netzanschlussbeitrag (NAB) erhoben2


Die ElCom bezieht sich zu diesem Thema  auf EnV Art. 10 Absatz 3 (4). Gemäss diesem Artikel ist der Netzbetreiber verpflichtet, die PV-Anlage mit dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt so zu verbinden, dass die Einspeisung und der Bezug von Energie sichergestellt sind. Die Produzentin oder der Produzent trägt die Kosten für die Erstellung der dazu notwendigen Erschliessungsleitungen bis zum Verknüpfungspunkt sowie allfällig notwendige Transformationskosten. Die Verrechnung eines pauschalen Netzkostenbeitrags oder von zusätzlichen Anschlussgebühren an einen Produzenten hingegen erachtet die ElCom als bundesrechtswidrig (3).

Die Sachlage ist somit eindeutig, aber nicht alle Netzbetreiber scheinen diese zu kennen. Insbesondere kleine lokale Netzbetreiber stützen sich auf ihre eigenen Reglemente, die manchmal veraltet sind und den neuen Gesetzgebungen nicht entsprechen. In solchen Fällen soll der PV-Produzent auf die oben genannten Gesetze und das Dokument der ElCom verweisen.

An dieser Stelle erwähnenswert ist, dass die Arbeiten für die Anschlussleitung bis zum Verknüpfungspunkt nicht per se vom Netzbetreiber ausgeführt werden müssen, sondern auch von Drittfirmen verrichtet werden können. Dem Produzenten ist es also freigestellt, eine Gegenofferte einzuholen von einer Firma, die für das Netzgebiet konzessioniert ist.

Gemäss Mantelerlass soll sich nun die Situation der Netzanschlusskosten ab 2025 ändern (5). Wenn erneuerbare Anlagen ab 50 kW eine Verstärkung der Anschlussleitung benötigen, werden die Kosten dafür ab Parzellengrenze bis zum Verknüpfungspunkt als Kosten des Übertragungsnetzes anrechenbar und von der nationalen Netzgesellschaft übernommen. Der Bundesrat kann ein Maximum der anrechenbaren Kosten pro kW Verstärkung festlegen. Der verbleibende Teil muss vom Produzenten bezahlt werden (Art. 15b Strom VG im Mantelerlass). Die detaillierte Ausgestaltung des Gesetzes ist Sache der Verordnung, die im Frühling 2024 in die Vernehmlassung geht. 

In 2024 gilt also sicher noch die alte Regel, weswegen sich nun viele Produzenten von PV-Anlagen die Frage stellen, ob sie Anlagen, die eine Leitungsverstärkung benötigen, in 2024 überhaupt bauen sollen – oder besser auf Eis legen bis 2025. Dank den Auktionen für Anlagen ab 150 kW ohne Eigenverbrauch mit dem maximalen Gebots-Höchstwert von 640 CHF/kW ab 2024 ist es je nachdem möglich, hohe Kosten für Leitungsverstärkungen abzudecken, so dass die Anlagen wirtschaftlich machbar sind. Anlagen unter 150 kW ohne Eigenverbrauch mit notwendiger Leitungsverstärkung haben dagegen einen schweren Stand, da die Mehrkosten über die geringere Förderung der Anlagen in vielen Fällen nicht aufgefangen werden können. Hier hat VESE vorgeschlagen, die Förderung für diese Anlagen anzupassen, um eine Stagnation beim Zubau zu vermeiden. 


Best-Practice-Empfehlungen für PV-Investoren

  • Technisches Anschlussgesuch (TAG) frühzeitig stellen
  • Gespräch mit dem VNB suchen, oftmals ergeben sich neue Lösungen (z.B. eine dynamische Leistungsbegrenzung ohne Ausbau der Leitung)
  • Anlagenleistung u.U. durch entsprechende Wechselrichter-Auswahl und/oder Einstellungen begrenzen, um Kosten für den Netzanschluss zu sparen
  • Wenn möglich eine Zweitofferte für die Tiefbauarbeiten/Kabelverlegung einfordern
  • Statt in die Leitungsverstärkung allenfalls in einen Batteriespeicher investieren zur Erhöhung des Eigenverbrauchs und Verringerung der Einspeisung

Fussnoten:

  1. Die Verstärkung bis zum Verknüpfungspunkt muss nach heutigem Recht vom PV-Produzenten bezahlt werden. Bezüglich der Begriffsterminologie, gemäss VSE (1) wurden im Rahmen der Begriffsangleichung mit internationalen Konventionen im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Branchenempfehlung “Werkvorschriften CH” folgende Begriffe neu eingeführt: 
    – Verknüpfungspunkt: bisher Netzanschlusspunkt
    – (Haus-)Anschlusspunkt: bisher Grenzstelle (entsprechend NIV Art. 2 Abs. 2) ↩︎
  2. Diese einmaligen Kosten, die von den Netzbetreibern individuell in Rechnung gestellt werden, also NAB und NKB, dürfen gemäss ElCom bei der Festlegung des Netznutzungsentgelts nicht berücksichtigt werden, sondern müssen von den Netzkosten entsprechend abgezogen werden (3). Die Überprüfung der Netzkostenbeiträge obliegt den Gemeinden und Kantonen, aber nicht der ElCom. ↩︎

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Quellen:

(1): Branchenempfehlung Netzanschluss (für alle Netzanschlussnehmer an das Verteilnetz), VSE, 2019. Link: Branchendokumente | VSE (strom.ch)

(2):Bundesgesetz über die Stromversorgung, StromVG, 1. Januar 2024. Link: SR 734.7 – Bundesgesetz vom 23. März 2007 über d… | Fedlex (admin.ch)

(3): Fragen und Antworten zur Energiestrategie 2050, Elcom Fachsekretariat, 2023 (Update 14. Nov 2023). Link: https://www.elcom.admin.ch/dam/elcom/de/dokumente/mitteilungen_2022/faq_es_2050.pdf.download.pdf/AN_FAQ_ES2050_Update_d.pdf

(4) Energieverordnung EnV, 1. Jan 2024. Link: SR 730.01 – Energieverordnung vom 1. November 20… | Fedlex (admin.ch)

(5): Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, Schweizerische Eidgenossenschaft, 29. Sept 2023. Link:  https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2023/2301/de