Rückblick VESE-Frühlingstagung 2016

Der Verband unabhängiger Energieerzeuger VESE tagte am 19. März 2016 am sonnigen Thunersee. Das besuchte Hotel Seeblick ist ein gutes Beispiel, wie attraktiv eine PV-Investition auch ohne kostendeckende Einspeisevergütung sein kann: Die Solarstromproduktion der 14 kWp-Anlage wird zu über 95% vor Ort konsumiert, die Anlage ist in wenigen Jahren amortisiert.

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Generalversammlung & Jahresrückblick

Der Verband zählt mittlerweile 85 Mitglieder; letztes Jahr sind 7 neue Solargenossenschaften hinzu gestossen, sowie auch andere grosse PV-Betreiber: Der Grossverteiler Migros – dieser produziert mit über 45 PV-Anlagen jährlich mehr als 16 Mio kWh Solarstrom – Romand Energie als engagierter Energieversorger wie auch Helion Solar als Installateur und Betreiber. Bereits im zweiten Geschäftsjahr wurde VESE als aktive Stimme der Solarbetreiber wahrgenommen: Das “Handbuch Solarstrom-Eigenverbrauch optimieren” stösst auf breites Interesse, ebenso wie die Erhebung der PV Rückliefertarife.

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PV im Selbstbau

Nachdem der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) politisch wenig Zukunft vorausgesagt wird, ist das bisherige Geschäftsmodell vieler Solargenossenschaften in Frage gestellt.
Das Geschäftsmodell der Energiewende-Genossenschaft (EWG) kommt hingegen erst richtig in Fahrt – das Selbstbau-Konzept könnte sich schweizweit verbreiten: Jeder soll sich eine PV-Anlage leisten können – nach Abzug der Einmalvergütung soll eine 10 kWp-Anlage unter 10’000 CHF kosten. Erstens wird das Material über die EWG mit schlanken 5% Marge bereitgestellt; zweitens kann man die Montagearbeit, die man für seine eigene Anlage kostenlos von anderen in Anspruch nimmt, auf anderen Dächern abgearbeitet werden. Im ersten Jahr hat die von Syril Eberhart initiierte Organisation im Kanton Bern rund 70 PV-Anlagen im Selbstbau erstellt – eine der ersten war jene vom Hotel Seeblick. Der Helfer-Austausch über die Kantonsgrenzen hinaus würde irgendwann zu umständlich – wer die Idee in anderen Regionen lancieren möchte, kann sich bei der EWG melden: info@e-wende.ch.

>>Download Präsentation Selbstbau-Konzept EWG

 

Zeitsparende und innovative Montagekonzepte

Bei der Recherche zur Eigenverbrauchsoptimierung kam VESE mit SmartVolt in Kontakt, der Systementwickler will im Herbst 2016 eine Steuerung basierend auf Digitalstrom lancieren. Die Innovationskraft hat SmartVolt vorerst mit einem faltbaren Montagesystem für Flachdächer bewiesen: Das vorgefertigte Ost-West-System mit SolarEdge-Optimierer und vier JA-Solar-Modulen faltet sich noch während dem Krantransport auf, achtquadratmeterweise müssen die Elemente nur noch ausgelegt werden, was viel Montageaufwand spart >Demo-Film. Für den Selbstbau durchaus eine Option. Das System vereinfacht auch den (temporären) Rückbau; dass während der Lebenszeit einer PV-Anlage eine Dachsanierung nötig wird, ist ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko.

>>Download Präsentation von Smartvolt

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Links die SmartSolarBox von SmartVolt, rechts das Faltdach Horizon von DHP Technology

DHP Technology präsentiert ebenfalls eine “Faltlösung” – braucht jedoch kein Dach dazu. “Infrastruktur-integrierte Photovoltaik” kann man das Produkt nennen, mit dem Kläranlagen oder Logistik-Flächen mit grossem Stützenabstand überspannt werden können. Seit der Seilbahnbauer Bartholet 2011 den Solarskilift in Tenna montiert hat, wurde das System signifikant weiter entwickelt – vor allem sollte es für Grossflächen über 100 kWp wirtschaftlich sein. Auf eine aufwändige Nachführung wird verzichtet, stattdessen werden flächendeckend glasfreie Leichtbau-Module eingesetzt. Über der Kläranlage Chur soll eine erste Anlage mit 350 kWp entstehen. Vielleicht auch eine Lösung für investitionswillige Solargenossenschaften, für die es nicht einfach ist, grosse neue Dächer zu akquirieren.

>> Download Präsentation Infrastruktur Integrierte Photovoltaik

 

Wirtschaftliches, Rechtliches und Steuerliches

Im Anschluss stellte Diego Fischer die Erkenntnisse der PV-Tarif-Erfassung vor. In einem Worst-Case Beispiel aus Schaffhausen wird für die Energie 3.91 Rp/kWh vergütet; die Lastgangmessung kostet 65 CHF/Monat. Nach Abzug der Kosten der Lastgangmessung bleiben dem Betrieber bei einer Anlage mit etwas über 30 kWp gerade noch 1.31 Rp/kWh. Erfreulich sind hingegen einige lokale Lösungen zur Vergütung vom ökologischen Mehrwert; kleine Gemeinde-Elektrizitätswerke können die Energiewende mit lokal-politischem Rückhalt voran bringen.

>>Download Präsentation PV Rückliefertarife

Noch komplexer, zu wenig beachtet und weniger griffig als schöne PV-Systeme sind die steuerlichen Aspekte vom PV-Anlagebetrieb. Rund 3% vom Stromertrag einer wirtschaftlich operierenden Solargenossenschaft – bis zu 1 Rp/kWh – fliessen in die Staatskasse; zusätzlich zu der individuellen Besteuerung der Zinszahlungen an die Genossenschafter. In Wirtschaftlichkeitsrechnungen für Private werden oft Steuerabzugsmöglichkeiten  hervorgehoben – dass die Erträge versteuert werden müssen, findet weniger Beachtung. Hermann Hüni vermittelt einen Einblick in die Problematik. Es gibt eine “Analyse zur steuerrechtlichen Qualifikation von Investitionen in umweltschonende Technologien wie Photovoltaikanlagen” – doch die Umsetzung in den Kantonen scheint intransparent.

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>>Download Präsentation PV Anlagen & Sachrecht

Ob eine aufgebaute PV-Anlage Bestandteil vom Gebäude ist oder nicht, hat steuerliche und versicherungstechnische Konsequenzen. Die Versicherungsverbände IRV und SVV favorisieren seit Sommer 2015 die Sicht, dass Contracting-PV-Anlagen privat versichert werden können, während private PV-Anlagen über die Gebäudeversicherung versichert sind. In einigen Kantonen müssen jedoch die Gebäudeeigentümer eine höhere Gebäudeversicherungsprämie zahlen, auch wenn die PV-Anlage nicht ihr Eigentum ist. Im Schadensfall ginge die Auszahlung an den Gebäudeeigentümer – so kann gar das Eigentum an der PV-Anlage in Frage gestellt werden.

Im Kanton Bern erhielt ein Gebäudeeigentümer 2012 von der Steuerrekurskommission recht, dass seine grosse angebaute PV-Anlage nicht zum Gebäude gehöre, womit der Wert der PV-Anlage für die Liegenschaftssteuer (und andere Abgaben) nicht relevant ist. Die Steuerverwaltung erhob Einsprache beim Verwaltungsgericht, welches 2014 die Beschwerde zurückweist. Das Bundesgericht stellt 2015 fest, dass die Steuerverwaltung nicht legitimiert sei, den Entscheid des Verwaltungsgerichts anzufechten. Der Verband unabhängiger Energieversorger will sich einsetzen, dass PV-Anlagen in allen Kantonen zweckmässig gehandhabt werden und nicht über Jahre Gerichte beschäftigen. Erstens soll eine Studie die gesamtschweizerische Situation beleuchten, zweitens können über Kantons-Parlamentarier konkrete Anträge gestellt werden.

Perspektiven für Solarstromproduzenten

Walter Sachs schliesst als VESE-Präsident die Veranstaltung ab mit einigen Anstössen, wie sich Solargenossenschaften weiter entwickeln können. Wenn Solar-Engagierte auf die lokalen Energieversorger zugehen und politisch ein Standardstromprodukt mit regionalem Ökostrom anstossen, kann sich eine wirtschaftliche Grundlage für eine lokale kostendeckende Solarstromabnahme entwickeln. Wenn hingegen Elektrizitätswerke Leistungstarife erheben und die Eigenverbrauchs-Praxis erschweren, muss dies an die Öffentlichkeit gebraucht und debattiert werden.

>>Download Impulsreferat Investitionsmöglichkeiten für Solargenossenschaften